Die Hog Islander
Während des Ersten Weltkriegs wurde in den Vereinigten Staaten die Verknappung von Handelsschiffstonnage evident. Im speziellen waren die USA nicht in der Lage in die militärische Entwicklung einzugreifen, da ihnen schlicht die Transportmittel fehlten, um Ausrüstung und Mannschaften an die Front zu bringen. Diesem Umstand trug der Federal Shipping Act von 1916 Rechnung in dessen Folge das United States Shipping Board als öffentliche Behörde gegründet wurde. Ausgestattet mit zunächst 50 Mio US-$ wurde über die Unterorganisation United States Shipping Board Emergency Fleet Corporation ein Notschiffbauprogramm angegangen. Da dieses Programm mit der spärlichen vorhandenen Schiffbaukapazität in den USA nicht zu realisieren war, mußten viele Aufträge ins Ausland vergeben werden.

Auf der anderen Seite wurde über die American International Company, der seit Ende 1916 die New York Shipbuilding Company mit ihrer Werft in Camden gehörte im Zuge des Schiffbauprogramms Pläne für eine völlig neue Werft in der Nähe von Philadelphia in Hog Island erarbeitet, da in New York die Expansionsmöglichkeiten der bestehenden Werft nicht gegeben waren. Am 13. September 1917 wurde dann zwischen der Emergency Fleet Corporation und der American International Company ein Vertrag zum Bau einer Werft geschlossen, der der Regierungsbehörde das Recht zusprach, diese nach Errichtung zu erwerben. Gleichzeitig wurde der Auftrag zum Bau von 50 7.500 tdw - Frachtern des Emergency Fleet Corporation Desings 1022 erteilt (Hog Islander Typ A). Am 23. Oktober wurde der Auftrag um 70 Schiffe des Designs 1024 (Hog Islander Typ B) erweitert. Ein dritter Vertrag über die Lieferung von 60 Schiffen des Typs A wurde dann noch am 7. May 1918 geschlossen. Von diesem 180 Schiffe umfassenden Programm, das bis August 1919 abgeschlossen sein sollte, wurden dann letztendlich bis April 1921 insgesamt 122 Schiffe gebaut, wovon 110 dem Typ A entsprachen. Das Design für die die Schiffe ging zurück auf die Arbeiten des Schiffbauingenieurs Major John York vom Shipping Board Design Department und des Konstruktionsbüros der New York Shipbuilding Corporation.

Neben dem Schiffbaubetrieb von Hog Island gab es noch zwei weitere Werke anderer Firmen, die ihre Aufträge ausschließlich von der regierunseigenen Emergency Fleet Corporation erhielten und darum "agency yards" genannt wurden. Alle drei Betriebe bauten Standardschiffe und kooperierten eng miteinandern. In Falle des Betriebs von Hog Island handelte es sich mit ihren 50 Slips um den größten Schiffbaubetrieb der Welt, der jedoch alle Vorprodukte von anderen Unternehmen bezog. In diesem Sinne war Hog Island, berücksichtigt man den Ausstoß von nur 122 Schiffe völlig überdimensioniert. "Hog Island was build for the multiple production of ships, for the construction of vessels in accordance with the American system of doing big things in a big way." Allerdings muß man in diesem Zusammenhang auch berücksichtigen, daß in Kriegszeiten andere als ausschließlich kaufmännische Überlegungen eine Rolle spielten, hier vor allen Dingen die Notwendigkeit Schiffe schneller zu bauen, als die Deutschen U-Boote sie versenken konnten, egal wie lang der Krieg noch dauern sollte.


HOG ISLANDER - Typ A (Emergency Fleet Corporation Design No. 1022)


Hog Island Shipyard, Philadelphia, Pennsylvania, Baunr. 492 - 541 sowie 1482 - 1541
5.753 BRT, 3.562 NRT, 7.825 Tdw.
122,22m (401' - 0") LoA x 16,00m Br 7,3m Tg
Dampfturbine, 2.500 PSw, 11,5 Kn

Trotz widriger Wetterverhältnisse im Winter 1971-18, konnte am 16. Februar 1918 auf Slip 1 der erste Kiel gelegt werden. Im July war dann die Werft fertiggestellt. Neben den 50 Slips waren 250 Gebäude entstanden, sieben Piers mit einer Länge von je 300 Meter sowie Ausrüstungsanlagen, die die gleichzeitige Fertigstellung von 28 Schiffen erlaubten. In der Hochzeit arbeiteten 41.000 Menschen in Hog Island.

Am 5. August 1918 wurde das erste Schiff, die QUISTCONCK von Edith Bolling Wilson, der Frau des Amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson getauft. Es hatte die Baunummer 492, da auf der Hog Island Werft die Auftragsnummer der Emergency Fleet Corporation gleichzeitg die interne Baunummer war. Dieses Schiff führte am 7. November seine Werftprobefahrt aus und vesegelte am 10. Dezember von Hog Island. Der Krieg war zu diesem Zeitpunkt bereits beendet.

Bis zum Ende des Jahres 1918 wurden insgesamt 12 Typ A - Schiffe zu Wasser gelassen. Während des Folgejahrs lieferte die Werft 62 Frachter vom Typ A und 4 des Typs B ab.


HOG ISLANDER - Typ A (nach Umbau zum Combiliner 1931 durch die Reederei Moore & McCormack)

Am 14. Februar 1920 nahmen die US-Behörden die Option wahr und übernahmen die Werft durch das United States Shipping Board. Mit der nach dem Ende des Krieges geänderten politschen Lage änderten sich auch die Ansichten über die Werft in Hog Island. Zunehmend wurden kritische Stimmen laut, die das Bauprogramm als finanzielles Dessaster verurteilten. Tatsächlich lagen die Gesamtkosten des Aufbaus von Hog Island mit 66 Mio US-$ um 39 Mio US-$ über dem ursprünglichen Ansatz. Darüber hinaus wurde schnell klar, daß das Bauprogramm den geänderten Ansprüchen einer Friedenswirtschaft nicht mehr entsprechen würde. Nachdem die vorschnelle Entscheidung des Kongresses, die Arbeiten auf der Werft sofort einzustellen, 1919 wieder aufgehoben wurde, konnten die bis dahin angefangenen 110 Frachter des Typs A und 12 Frachter des Typs B gebaut werden. Gerade für die Frachter des Typs B, die vor allen Dingen als Truppentransporter konzpiert waren, sah der Kongress kaum eine wirtschaftliche Verwendung in Friedenszeiten, so daß dieses Programm besonders stark zusammengestrichen wurde.

Am 2. Februar 1920 fand der letzte Stapellauf auf der Werft statt. Das letzte Schiff wurde am 21. Januar 1921 abgeliefert. Die Werft wurde geschlossen und das Gelände im März 1930 durch die Stadt Philadelphia erworben. Anfangs wurde es zu Eisenbahnzwecken genutzt, später wurde hier der Flughafen der Stadt errichtet.


HOG ISLANDER - Typ B (Emergency Fleet Corporation Design No. 1024)

Hog Island Shipyard, Philadelphia, Pennsylvania, Baunr. 669 - 680
7.430 BRT, NRT, 8.133 Tdw.
136,55m (448' - 0") LoA x 16,0m Br 8,53m Tg
Dampfturbine, 6.000 PSw, 16,72 Kn

In den ersten Jahren der Nachkriegszeit konnten die Hog Islander von der United States Shipping Board Emergency Fleet Corporation zu teilweise sehr guten Preisen an Privatgesellschaften verkauft werden. Aufgrund ihrer einfachen technischen Auslegung waren die Schiffe gefragt. Nachdem in Folge der ersten Nachkriegskrise 1922 die Schiffspreise erheblich einbrachen, fühlten sich einige dieser Reeder übervorteilt und verlangten von den US Behörden nachträglich Rabatt auf die gezahlten Schiffspreise. Tatsächlich hat die Regierung dem nie nachgegeben, hat jedoch einige Schiffe wieder zurückgenommen. Bis dahin wurden US-$ 215 pro Deadweight Tonne gezahlt, mithin ca. 1,7 Mio US-$ pro Typ A-Schiff. Nachdem die sogenannten "pioneer purchasers", also die Erstkäufer die Schiffe für diese Preise übernommen hatten, wechelten z.B. 1925 sechs Schiffe für nur US-$ 5,57 den Besitzer.

Die Beschäftigung der Schiffe erfolgte nach dem Krieg in der Regel in Liniendiensten, die vom Shipping Board kontrolliert wurden, wobei private Firmen diese operierten. Bei einer späteren Übernahme der Schiffe mußten sich die Reedereien zur Fortführung des Verkehrs für zumindest fünf weitere Jahre verpflichten. Der größte Verkauf von Hog Island - Schiffen erfolgte im August 1925. Hierbei wurden für 16 Typ A-Schiffe und zwei andere Einheiten durch die American Export Line insgesamt US-$ 1.062.000,-- oder US-$ 7,50 pro Tdw gezahlt. Die amerikanische Reederei Moore & McCormack, die ebenfalls eine Reihe von Hog Islandern übernahm, konnte drei Schiffe sogar für weniger als US-$ 5,-- pro Tonne Deadweight erwerben. Diese Schiffe wurden zwischen 1939 und 1940 an den Lloyd Brasileiro verkauft und nach dem Krieg durch Erneuerung der Kessel noch eine Reihe von Jahren im Dienst gehalten.

Ein weiterer Verkauf einer Reihe von Schiffen ins Ausland fand im März 1940 statt. Da es amerikanische Neutralistätsauflagen zu Beginn des Kriegs verboten, weiterhin einen Liniendienst nach Europa aufrecht zu erhalten, wurden sieben Typ B-Schiffe von der United States Lines auf die zu diesem Zewck gegründete belgische Société Maritime Anversoise S.A., Antwerpen übertragen. Mit der Verschärfung des Seekriegs kam auch das Ende dieser sieben Schiffe von denen lediglich eines die Kampfhandlungen überlebte und als AROSA KULM zum Auswandererschiff umgebaut bis 1959 in Fahrt blieb.

In den zwanziger und dreißiger Jahen wurden die Schiffe häufig umgebaut und mit teilweise erheblichen Passagierkapazitäten versehen. Während des Zweiten Weltkriegs gingen insgesamt 42 Typ A-Schiffe in Folge von Kriegshandlungen verloren. Immerhin überlebten 51 Hog Islanders den Krieg, von denen die Mehrzahl in den 50er Jahren abgewrackt wurden. Die argentinische PLEAMAR, gebaut als Nummer 527 - SHANNOCK wurde als letzte Einheit dieses Typs 1967 in Argentinien abgebrochen.


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